Pogromnachtgedenken 2019 Begrüßung

von Hans-Jürgen Fuchs

Guten Abend meine Damen und Herren. Ich begrüße Sie hier im Alten Rathaus zu unserer Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht in Rohrbach. Im Namen von punker und Stadtteilverein möchte ich mich zunächst einmal bei all denen bedanken, die zu dieser Veranstaltung beigetragen haben. Stellvertretend für alle Beteiligten nenne ich hier Sibylle Ziegler, Claudia Rink und Christof Binder. Und ich freue mich auch, dass Anne Kloos, Joachim und Vincent Nolden die Veranstaltung musikalisch begleiten.

punker und Stadtteilverein legen mit dem Thema „stille Helfer” bei unserer diesjährigen Gedenkveranstaltung den Fokus auf Menschen, die bisher nicht im Scheinwerferlicht standen, Geistliche, Ärzte, eine Musikerin. Ganz normale Menschen. Außer, dass sie in schwierigen Zeiten den Mut aufbrachten, jüdischen Freunden, Nachbarn, Bekannten zu helfen.

Sie waren „stille Helfer“, keine „stillen Helden“. Und manche passen so gar nicht in unser Bild von „Regimegegnern”. Beispielsweise Wilhelm Bender, der in der NS-Zeit bei der Gestapo war, zeitweise sogar deren stellvertretender Leiter. Nach dem Krieg hatte er bei den Entnazifizierungsverfahren viele Fürsprecher, vor allem Juden, weil er sie geschützt hatte. Aber bei Kommunisten, kannte Bender keine Gnade …

Die Personen, um die es heute geht wurden zu stillen Helfern, weil sie zum richtigen Zeitpunkt das Richtige taten. Zum richtigen Zeitpunkt funktionierte bei ihnen offenbar das Gewissen, schafften sie es, sich gegen die „Umdrehung des Gewissens” zu stellen. So nannten Alexander und Margarete Mitscherlich die perfide Umdrehung der Moral, bei der das Böse
die Eigenschaft verloren hatte, an der die meisten Menschen es erkennen.

Hannah Arendt sagt in ihrem Buch „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen”:

Im Dritten Reich trat das Böse „nicht mehr als Versuchung an die Menschen heran. Viele Deutsche und viele Nazis, wahrscheinlich die meisten, haben wohl die Versuchung gekannt, nicht zu morden, nicht zu rauben, ihre Nachbarn nicht in den Untergang ziehen zu lassen … und nicht, indem sie Vorteile davon hatten, zu Komplizen all dieser Verbrechen zu werden.

Aber sie hatten, weiß Gott, gelernt, mit ihren Neigungen fertig zu werden und der Versuchung
zu widerstehen.”

An diese Worte musste ich denken, als ich las, was heute Björn Höcke in seinem Buch „Nie zweimal in denselben Fluss", sagt:

„… eine neue politische Führung muss aller Voraussicht nach Maßnahmen ergreifen, die ihrem eigentlichen moralischen Empfinden zuwider laufen. […] Und bei dem wird man, so fürchte ich, nicht um eine Politik der »wohl-temperierten Grausamkeit«, wie es Peter Sloterdijk nannte, herumkommen. Das heißt, dass sich menschliche Härten und unschöne Szenen nicht immer vermeiden lassen werden. […] Existenzbedrohende Krisen erfordern außergewöhnliches Handeln […]”, sodass wir „leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen. …

Die Verantwortung dafür tragen dann diejenigen, die die Notwendigkeit dieser Maßnahmen mit ihrer unsäglichen Politik herbeigeführt haben.“ …

Ich zitiere das so ausführlich, weil es immer noch Menschen gibt, die sich Illusionen machen über den Charakter dieser Partei, die inzwischen in allen unseren Parlamenten sitzt. Was Höcke hier macht, ist genau die „Umdrehung des Gewissens”, die die Mitscherlichs und Hannah Arendt beschrieben haben. Es ist der Grundmechanismus des Faschismus.

Und seit der Thüringenwahl wissen wir noch besser, dass Höcke damit in seiner Partei nicht alleine steht.

„Herr Höcke rückt die Partei nicht nach rechts. Herr Höcke ist die Mitte der Partei.” (RNZ, 28.10.2019, S.2).

… sagte nach der Wahl AFD-Parteichef Gauland.

Aber zurück zum eigentlichen Thema des heutigen Abends. Die stillen Helfer, um die es heute hier geht, waren möglicherweise Menschen, die dieser Umdrehung des Gewissen widerstanden und in unmenschlichen Zeiten ein Stück ihrer Menschlichkeit bewahren konnten. So stieß die in Rohrbach wohnende Familie P. nicht nur auf überzeugte Nazis und angepasste Mitläufer, sondern fand unter den Rohrbachern Helfer, die ihr das Überleben ermöglichten.

An ihren Einsatz sollten wir uns erinnern.