Hoffnung, Tränen, Kopfschütteln
Jahreshauptversammlung des Stadtteilverein 2012

30.3.2012

Von Hans-Jürgen Fuchs

Letzter Freitag im März. Traditionell der Tag der Jahreshauptversammlung des Stadtteilvereins Rohrbach. Vieles von dem, was an diesem Abend passiert, ist bekannt. Es sind Formalien zu erledigen, Wahlen abzuhalten – the same procedure - every year. Auch deshalb benutzte der Stadtteilvereinsvorsitzende Bernd Frauenfeld an diesem Abend häufig den Begriff des Déjà-vu.

Dabei war diesmal doch alles ganz anders. Denn neben allen Formalia, neben Rückblicken und den üblichen, wie immer zum Teil deftigen Seitenhieben auf Missstände im Stadtteil und in Heidelberg, stand dieses Mal die Neuwahl eines zweiten Vorsitzenden auf dem Programm und eine Stellungnahme des ersten Vorsitzenden „in eigener Sache”: Bernd Frauenfeld kündigte an, dass er bei der Wahl im nächsten Jahr nicht mehr für den Vorsitz kandidieren wird.

Aber beginnen wir chronologisch.

Gustav Knauber

Jahresbericht des 1. Vorsitzenden

Veranstaltungen des Stadtteilvereins

Im Mittelpunkt der Jahreshauptversammlung des Stadtteilvereins steht jedes Jahr der Rechenschaftsbericht des 1. Vorsitzenden. Frauenfeld kündigte zu Beginn das eine oder andere Déjà-vu-Erlebnis an und berichtete zunächst über die Aktivitäten des Stadtteilvereins.
8 Veranstaltungen waren es im vergangenen Jahr. Frauenfeld berichtete u. a. vom Sommertagszug. Wie üblich wurde der Winter verbrannt, doch kaum flogen Massen von schwarzen Partikeln auf den Spielmannsverein zu, „haben die Weicheier aufgehört zu spielen”.
Eine Lösung gab es für die Butzenproblematik: Eine neue Unterstellmöglichkeit ist gefunden, so dass die Butze nun nicht mehr auf dem Rohrbach Markt stehen werden.

Mitten im Bericht über die Stadtteilvereinsaktivitäten dann der Running Gag mit dem Wurstsalat. Denn das Servicepersonal bedient natürlich auch bei den Ansprachen weiter. Diesmal aber ohne laute Nachfragen ins Publikum, so dass Frauenfeld diesen Part selbst übernahm und von der Bedienung forderte: „Sie müsse jetzt was mit Worschtsalat sagen, dann freut sich der Herr Fuchs, der mitschreibt.”

Die Kerwe, fuhr Frauenfeld fort, sei prima gelungen, obwohl man den Abschied der Kerweborscht zu verkraften hatte. Der Stadtteilverein hat es geschafft, die Traditionsbestandteile zu erhalten. „Und das ist gut so, denn das hebt uns ab von den Veranstaltungen in anderen Stadtteilen.”

Engagiert hat sich der Stadtteilverein auch wieder beim Seniorenherbst: „Die fortschreitende Gebrechlichkeit im Vorstand und Beirat konnte hier durch die Heidelberger Dienste kompensiert werden.”

Noch ein Déjà-vu: wie jedes Jahr beklagte Frauenfeld die schwache Teilnahme am Volkstrauertag. Es sei ein Armutszeugnis, wenn man diese Tradition kaputt gehen ließe. Frauenfeld stellte den Tag in den Zusammenhang des Jahreskalenders. Es gäbe viele, sehr unterschiedliche Gründe, den Tag zu begehen. Auf ihn zu verzichten, brächte Kälte, meinte er, wenn Menschen sagten, „brauche mer nimmer, aber zum Saufen sind wir noch da …”

Ein Erfolg war die Spendenaktion für Lichter in der Rathausstraße. Sie hat 1.100 Euro gebracht, davon 500 Euro von „einem Möbelhaus in Rohrbach-Süd”.

Wie immer dankte Frauenfeld all seinen Mitstreitern, dem punker und den anderen Vereinen, ja sogar dem BBR für die Zusammenarbeit.

Bernd Frauenfeld und Babette Hake

Rohrbacher und Heidelberger Themen

Dann kam Frauenfeld zu den allgemeinen Rohrbacher und städtischen Themen. Er fasste dies zusammen unter der Überschrift „Hoffnung, Tränen, Kopfschütteln”.

Er freute sich, dass die Bäume in der Rohrbacher Straße durchgesetzt worden seien („na also!”). Frauenfeld berichtete kurz über den Stand der Diskussion um die Konversionsflächen und das Sanierungsgebiet. Die Pläne für die Umgestaltung des Rathausplatzes findet er „echt klasse”. Natürlich sei die Verkehrssituation unheimlich schwierig, aber der Plan von ap88 versuche, alle Interessen, die von Autofahrern und Fußgängern, unter einen Hut zu bringen. Und das gelänge ihm gut.

Beim Parkkonzept habe man zumindest verhindert, dass Weststadtverhältnisse kommen, so Frauenfeld weiter. Auch dies sei eine schwierige Sache. Das vorgestellte Konzept sei ein guter Ansatz und solle nun erst einmal umgesetzt und erprobt werden.

Schließlich erwähnte Frauenfeld auch das „neueste Kind der Stadt”: der Runde Tisch Verkehr Rohrbach-West. Valentina Schenk wird dort den Stadtteilverein vertreten. Das ist nicht immer einfach, solche Runden Tische „ziehen sich manchmal wie Kaugummi”.

Nun, fast zum Schluss der Rede, kam das „Plagiat zum letzten Jahr, wenn man sich denn schon selbst plagiatieren kann”: Der „Modetrend Bürgerbeteiligung”. Die Politik habe sich öffnen müssen, da sie bei vielen Wahlen Ohrfeigen bekommen habe. Doch diese Öffnung werde zur Farce, wenn sie zum Entscheidungsstillstand führt. Und deshalb sind aus Frauenfelds Sicht die Leitlinien der Stadt Heidelberg „so unnötig wie ein Kropf”. Und wenn sie dann schon kommen müssten, fragt sich Frauenfeld, warum dann die Stadtteilvereine darin gar nicht vorkommen. Das könne doch nicht wahr sein, dass das Know-how der Stadtteilvereine, das sie sich über Jahrzehnte hinweg erarbeitet haben, ungenutzt bleibt.

Die wichtigste Meldung aber hob sich Frauenfeld zum Schluss auf – etwas „in eigener Sache”. Er sei nun seit 15 Jahren im geschäftsführenden Vorstand, davon 12 als erster Vorsitzender. Im nächsten Jahr werde er nicht mehr zur Wahl antreten. Er selbst werde auch keinen Nachfolger suchen, kündige aber seinen Abschied frühzeitig an, damit die Vereinsmitglieder das Jahr nutzen könnten, einen geeigneten Nachfolger zu finden. Er beendete seine Rede mit den Worten „Wir sind dann einen langen Weg zusammen gegangen – ich bin dann angekommen. Ich bedanke mich für Ihr Vertrauen und Ihre Aufmerksamkeit.”

Brend Frauenfeld am Rednerpult

100 Euro für Toilettenpapier – der Kassenbericht

Viele Lacher auf seiner Seite hatte Michael Gail bei seinem Bericht als Schatzmeister des Vereins. Das mag etwas seltsam klingen, ist doch ein Finanzbericht immer etwas Trockenes. Doch Gail schaffte es wie immer, den Zahlen Leben einzuhauchen. Das Highlight war eindeutig der Bericht über die finanziellen Auswirkungen der Kerwe, die z. B. auch einen Posten über 100 Euro für Klopapier enthielten.

Entlastung, Neuwahlen

Wie immer gab es keinen Aussprachebedarf. Der Vorstand wurde einstimmig entlastet und man schritt zu den Wahlen. Ludwig Schmidt-Herb, der ankündigte, dass auch er bei der nächsten Wahl nicht mehr antreten wird, um Jüngeren Platz zu machen, wurde einstimmig ohne Enthaltungen wieder zum Schriftführer gewählt.

Ludwig Schmidt-Herb

Dann die Neuwahl der zweiten Vorsitzenden. Die einzige Kandidatin, Babette Hake, stellte sich kurz vor. Ja, sie habe sich gefragt, ob sie wirklich noch einmal beim Martinszug mitlaufen wolle. Aber es sei wichtig, diese und andere Traditionen zu wahren. Babette Hake umschrieb die Dinge, die ihr ausserdem wichtig sind, die Stadtteilentwicklung, die Nutzung des Rathauses, die Konversionsflächen und versprach sich u. a. auch im Bezirksbeirat für den Stadtteil einzusetzen. „Damit haben wir gehört, dass die Kandidatin die Wahl annehmen wird, wenn sie gewählt wird”, griff Wahlleiter Ernst Schwemmer dem Wahlergebnis vor. Babette Hake wurde einstimmig bei einer Enthaltung gewählt und tritt damit die Nachfolge von Klaus Weirich an, der nicht mehr kandidiert hatte.

Bernd Frauenfeld und Babett Hake

Ein neues Ehrenmitglied

Auf Vorschlag des Vorstandes wurde Hans Eger, langjähriger Vorsitzender des Liederkranzes, zum Ehrenmitglied ernannt, da er, wie Bernd Frauenfeld sagte, „immer die Fahne Rohrbachs hochgehalten hat”. Die Versammlung beschloss einstimmig und mit kräftigem Applaus.

Frauenfeld und Hans Eger

Gruppenaufnahme: Frauenfeld, Hake, Eger

Bei der gruppenaufnahme, Blick von hinten

In unserer Sache

Wer ihn besser kennt, weiß, dass er sich schon sehr lange mit dem Gedanken trägt, die Verantwortung für den Stadtteilverein abzugeben: Bernd Frauenfeld wird nach Ablauf seiner Amtszeit 2013 nicht mehr zum Vorsitz des Stadtteilvereins kandidieren. Er könne loslassen, sagte er, aber man sah ihm an, dass ihm dieser Schritt nicht leicht fällt.

15 Jahre sind eine lange Zeit, sicher. Frauenfeld würde sagen: „ich habe lange genug den Karren gezogen”, oder es noch drastischer ausdrücken. Aber das wird sicher nicht der einzige Grund für seinen Rückzug sein. Eine große Rolle werden auch jene spielen, die, um es in seinen Worten zu sagen, „man immer wieder neu auf das Töpfchen setzen muss”, die sich stets beklagen und fordern, aber selbst nicht bereit sind, sich zu engagieren. Oft hat er sich in den letzten Jahren über mangelnde Unterstützung beklagt - für alles und jeden zuständig, und doch fühlte er sich häufig allein gelassen - das zehrt.

Schwer fällt es Bernd Frauenfeld auch, mit der inzwischen vorherrschenden politischen Kultur umzugehen. „Nicht schwätze, schaffe!” hat er einmal gesagt. Das ist nicht einfach in einer Stadt, die die Debatte zur Leitkultur erhoben hat, und in der die Grenzen von notwendiger Auseinandersetzung und Geschwätzigkeit sehr fließend sind. Wie viel Lebenszeit kosten all die Runden Tische, die Versammlungen und Beiräte. Und oftmals gewinnt man den Eindruck, als seien viele Gremien eher dazu da, Leute zu beschäftigen, als sie zu beteiligen. Der kurze Draht zu den entscheidenden Leuten, den Frauenfeld so schätzt, er funktioniert immer weniger.

15 Jahre sind eine lange Zeit. Als Frauenfeld den Vorsitz des Stadtteilvereins übernahm, schrieb ich im papier-punker über die „rauchenden Köpfe älterer Männer”. Die Umzüge des Stadtteilvereins kenne jeder. Doch kaum einen kümmere es, wer dies alles organisiert. Und nicht wenige würden, gerieten sie versehentlich in eine Versammlung des Vereins, sofort wieder kehrt machen. „Denn ein Großteil der Mitlaufenden bei den Zügen ist jung, zugereist und weiblich. Das typische Mitglied im Stadtteilverein scheint dagegen ein älterer, männlicher, konservativer Alt-Rohrbacher zu sein. Und Raucher natürlich. Denn zum Ende der Versammlung waren die Anwesenden vor Rauch nur noch schemenhaft zu erkennen.” Für einige Jahre könne der Stadtteilverein noch einfach weiter machen, schrieb ich, „aber irgendwann wird er sich öffnen müssen – für Jüngere, für Frauen, für Zugereiste, Nicht-Konservative ...”

Dass der Verein nicht einfach weitergemacht hat, ist das Verdienst Frauenfelds. Er hat die Organisation geöffnet für Zugereiste, für Jüngere, für Frauen. Und geraucht wird auch nur noch heimlich - durch den Vorsitzenden selbst. Frauenfeld, selbst ein bekennender Konservativer, hat das Wohl des Stadtteils immer ins Zentrum seiner Arbeit gestellt. Woher jemand kam, wer er ist, welche Fahne er vor sich her trägt war sekundär. Was zählt ist das Engagement für den Stadtteil. Er hat dadurch mit dazu beigetragen, dass Rohrbach ein Stadtteil mit vielen unterschiedlichen Kulturen geworden ist, die neben- und miteinander für mehr Leben in Rohrbach sorgen.

Die Zusammenarbeit unterschiedlicher Gruppen hat uns in Rohrbach stark gemacht. Und erfolgreich. Rohrbach Markt ist umgebaut, demnächst folgt der nördliche Teil der Karlsruher Straße, das Rathaus und das Seckenheimer Gässchen 1, der Rathausplatz. Wir haben das zusammen „gestemmt” und stets hat Frauenfeld die schwersten Brocken auf seine schmalen Schultern geladen.

Die Anpassung des Vereins an die geänderten Bedingungen eines Stadtteils, der inzwischen die Größe einer Kleinstadt hat, ist weit gediehen, aber noch nicht abgeschlossen. Ein anderer/eine andere wird nächstes Jahr den Vorsitz des Stadtteilvereins übernehmen. Hoffen wir, dass es jemand sein wird, der den von Frauenfeld eingeschlagenen Weg weiter geht. Das wäre das Beste - für Jüngere und Ältere, für Frauen und Männer, für Alteingesessene und Zugereiste, Nicht-Konservative und Konservative. Für uns in Rohrbach.

Neue Kissen für die Ochsenstühle